James Salter ist für mich einer der Großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Wenn er ein Buch mit dem Titel „Alles, was ist“ schreibt, dann muss das her. Der philosophische, leicht melancholische Rückblick beginnt mit einem Kapitel Kriegsmarine, in dem Salter seine Vergangenheit als Militärflieger verarbeitet. Die prägende Phase seines Helden steht für Disziplin und Pflichterfüllung, gibt Halt in einem Leben mit vielen Bruchstellen. Die kontinuierliche Karriere eines Lektors und Herausgebers scheint eher alles zu sein, was ist, als die Literatur selbst. Ansonsten sind es Liebesbeziehungen und Häuser, die in der Erinnerung bleiben. Als feinfühliger Beobachter beschreibt Salter mit wenigen Sätzen die komplexen Veränderungen in der Gefühlswelt von Paaren – eine seiner besonderen Vorzüge. Ein weiterer ist sein meisterhafter Umgang mit der Zeit. In seinen Werken wird sie spürbar relativ – Jahre vergehen unmerklich im Flug, Minuten einer Liebesnacht dauern an, klingen nach und prägen ganze Lebensphasen. Er dehnt Momente wie einen Kaugummi und lässt ganze Jahre wie Blasen in wenigen Sätzen zerplatzen. Seine präzise, reine Sprache erleuchtet den Roman wie die Herbstsonne die bereits erstorbene Landschaft und weckt Vergangenes mit philosophischem Gleichmut zum Leben. Orte, Menschen, Feste bleiben als Geschmackserlebnis auf dem Gaumen, als Aura im Raum, perfekt beschrieben als Literatur. Doch alles, was ist?