Beinahe wäre der Groupon-Gutschein verfallen: Fünfgängiges Trüffelmenü für zwei im Canal Grande, statt 160 nur 80,00 Euro! Die Ursache dafür schreiben wir jetzt mal einer Terminmappe zu, in der bestimmungsgemäß Schriftstücke verschwinden, um kurz vor dem Verfallsdatum überraschend wieder aufzutauchen. Aber wie kann man sich als erfahrener Trüffelesser überhaupt auf ein solches Geschäft einlassen, wo doch einige dünne Scheibchen weniger von der weissen Albatrüffel den gesamten Preisvorteil vernichten könnten?
Ähnliche Schlauheit hatten einmal Freunde bewiesen, als sie wie von mir empfohlen das LaContea in Neive zum Trüffelessen besuchten. Sie ließen den Kellner die Trüffel über ihre Tagliolini hobeln und hobeln, weil sie dachten, so würden sie mehr für’s Geld bekommen. Schlappe 300 Euro kostete das, und sie waren mutig genug, sich bei mir darüber zu beschweren!
Meine beiden Söhne reagierten jedenfalls begeistert, als sie für den Abend spontan zum Menü geladen wurden. Pünktlich um acht Uhr betraten wir das Canal Grande, ein gehobenes italienisches Lokal in München, in der Nähe der Nymphenburger Straße, das Franz Josef Strauß frequentiert haben soll. Nachdem wir an einem hübsch gedeckten Tisch Platz genommen hatten, mussten wir erst einmal unser ,Problem` lösen: Wir hatten einen Gutschein für zwei, waren aber drei. Vorschläge von mir, die einzelnen Gänge aufzuteilen, wurden von den Youngstern ebenso abgelehnt, wie die Zumutung, sich á la Carte ein anderes Gericht zu wählen. Also musste ich ein weiteres Menü bestellen. „Kein Problem“, erklärte der höfliche Ober, als ich ihn auf die 50 Prozent Rabatt ansprach, die der Gutschein gewährte. „Das Menü steht bei uns für 43,50 Euro auf der Karte. Den höheren Preis haben wir nur für Groupon angegeben.“ Er lächelte freundlich.
Perplex durch diesen so freimütig und fröhlich eingestandenen Betrug wählten wir den Hauptgang Fleisch, stießen mit dem im Preis enthaltenen Lugana von Ca‘ dei Frati an und kosteten von dem selbst gebackenen Brot. Die „Trüffel Vorspeise“, welche die vor uns stehende, kleine Menükarte angekündigt hatte, war eine ovale Platte mit italienischen Antipasti, ganz unitalienisch für jeden einzeln portioniert, jeder einzelne ein kleiner Genuss: hervorragend geräucherter Lachs, saftiger Kochschinken, Vitello tonnato von einem guten Stück Fleisch, getrocknete Tomate und gebratene Auberginenscheiben in Öl, Oliven. „Nichts mit Trüffel“, stellte mein älterer Sohn entrüstet fest, während von einem Nebentisch der Duft des Tuber Aestivum Vitt., der italienischen Sommertrüffel in die Nasen zog. Ziemlich viele der Nebentische bekamen den gleichen Service. „Trüffel Vorspeise heisst sie eben, weil sie vor den Trüffeln kommt“, kommentierten wir mit leichter Enttäuschung und stellten ein weiteres Mal fest, dass andere etwas lockerer mit Preis- und Inhaltsangaben umgehen, als wir dies gewohnt waren – diese fürchterlich deutsche Pedanterie!
Schließlich näherte sich auch unserem Tisch der intensive Geruch der wertvollen Knollen. Die Tagliolini standen frisch, perfekt auf den Punkt gekocht, zu einer appetitlichen Kugel gedreht inmitten des mit zerlassener Butter bedeckten Tellers, reich mit Trüffelscheiben gesegnet. Wir waren begeistert.
Auch der nächste Gang, mit Ragout gefüllte Tortellini, führte auf gekonnte Weise vor, was man alles mit den kleinen Knollen anstellen kann, die in manchen Jahrhunderten in reicheren Haushalten wie Maggi verwendet worden sind. Den Fleischgang bildeten zwei Schnitzelchen in Trüffeljus. Die Portion entsprach nicht den Erwartungen, die meine Söhne in den angekündigten Hauptgang gesetzt hatten; insgesamt erinnerte sie mehr an ein schnell produziertes Pensionsessen für die Hausgäste. Doch das weiche Fleisch in Rinderfond, der tatsächlich Trüffelaroma bot, und ausreichend Püree, um den Fond vollständig zu verbrauchen, waren akzeptabel im Rahmen des Menüs. Wir hatten uns als Rotwein dazu einen Primitivo empfehlen lassen, der hervorragend harmonierte und – wie wir anschließend feststellten – richtig günstig war.
Die Nachspeise, oft der kreative Höhepunkt der italienischen Küche, kam als tiefgefrorener Tartufo aus Vanilleeis auf den Teller, der eher einem Kantinenessen einen würdigen Abschluss bereitet haben würde, als unserem Trüffelmenü.