Sind viel rum gekommen die Jungs, na ja, alten Herren. Die Biographien von Keith und Mick, letztere sowohl nach Marc Spitz als auch Philipp Norman, belegen das, ebenso der schöne Bildband von Prestel, 50 Jahre Rolling Stones. Aber hier waren sie noch nicht, zumindest nicht alle: in Lüchow, 13000 Seelen-Städtchen und bekannt für Atommüll-Endlagerung.
Eine ganz andere Art von Endlagerung hat hier der Stones-Fan Uli Schröder begründet. Nämlich das erste (und einzige) Rolling Stones Museum weltweit. Nun fühlen sich die alten Herren selbst noch keineswegs museumsreif.
Ganz im Gegenteil: Für 2014 haben die inzwischen Siebzigjahrigen eine Europatournee geplant, die sich gewaschen haben soll. Was zum Teufel stellt Uli Schröder in den inzwischen neuen Museumsräumen eines früheren Supermarktes denn eigentlich aus? Prunkstück der Sammlung ist ein Snooker Billard Table, den der gute Keith sich angeblich auf jeder Tournee hat nachtragen lassen. Dann folgen reihenweise zweitklassige Gitarren, einem oder mehreren Stones zum Signieren hingehalten. Keine davon haben sie wohl wirklich benutzt. Eine Reihe goldener Schallplatten. Etwas Bühnengarderobe. Merchandising-Artikel aus einem halben Jahrhundert. Zeitgenössische Möbel, die an die schummrig verdunkelten Wohnzimmer der Eltern erinnern, in denen man seine Parties feiern durfte…
Who the Fuck is Mick Jagger? Hier werden wir es nicht erfahren. Hier stehen wir vor Erinnerungsstücken, die einer oder mehreren Generationen Jugend bedeutet haben. Wir waten in dem lebenslang gehorteten Strandgut, das von einer allzu kommerziell gewordenen Popkultur angeschwemmt wurde. Keine Atmosphäre, die sich ebenso zäh gegen die Zumutungen des Altwerdens und seiner Staubschichten auflehnt, wie die groovenden Gruftis selbst, keine Mädchen und keine Drogen.
Stattdessen gibt es die Gelegenheit, Ronnie Wood etwas näher kennen zu lernen. Eine Begegnung der dritten Art, die vielleicht das verstärkte Kitschbedürfnis einiger starverliebter Teenies erfüllen kann: Uli Schröder arbeitet als Galerist und stellt hier die größte Sammlung von Bildern aus, die Ronnie Wood in verschiedenen Techniken und Formaten angefertigt hat.
Lebenden Legenden, deren Verdienst es ist, auf vorbildliche Weise dem Verstaubungsprozess zu trotzen, ein Museum einzurichten, muss wohl eigentlich deren Zielen widersprechen. Aber hier geht es eben weniger um die Rolling Stones, als um die Gischtwelle von Fanartikeln, die auf dem Meer der Begeisterung ans Ufer gespült worden sind. In New York, in London, aber eben auch in Lüchow oder Wanne-Eickel. Hier wird dokumentiert, welche kleinen, unbedeutenden Dinge plötzlich eine große Rolle spielen, wenn der kritische Konsument zum Fan(atiker) wird. Deshalb erinnert das Museum so verdächtig an ein Vereinsheim eines beliebigen Fussballclubs. Mit den Trophäen an der Wand, die vielleicht der Papa oder Großpapa einmal eingesammelt haben…
Ein Gedanke zu “Rolling Stones stranded”
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Pingback: Charlie