Wie schön, dass es immer wieder etwas zu feiern gibt. Heute feiern wir den 50. Geburtstag des 911, jenes legendären Porsches, der immer noch 911 heißen muss, obwohl intern längst viele andere Nummern wie 996, 997 angehängt werden, um die vielen erfolgreichen Baureihen zu unterscheiden. Denn mal ehrlich: In den 50 Jahren haben die ganz schön was geleistet, die Jungs in Weissach vor allem, in der Entwicklungsabteilung.
In einem Alter um die 50 haben Geburtstage zwei Seiten: Einerseits freut man sich über das, was war. Andererseits weiß man, dass nicht allzu viel Besseres nachkommen dürfte.
Das lässt sich ganz gut übertragen, wenn man den 911er genauer betrachtet. Der Sechszylindermotor hat immer mehr Hubraum bekommen, doch lange sind dem Platzhirschen andere davon gefahren, Audis, BMW, um nur auf deutschen Autobahnen zu bleiben. Der Heckmotor mit seinen technischen Grenzen wurde erst durch Allradantrieb wieder konkurrenzfähig gemacht – und wie gut sich mit Mittelmotor fahren lässt, weiß jeder, der das Prestigemodell schon mal gegen einen Boxster S oder Cayman des gleichen Herstellers eingetauscht hat. Super Fahrspaß, preislich für die Hälfte. Aber wir wollen nicht rumnörgeln, sondern feiern. Den 911er im allgemeinen, die drei, die ich schon hatte – und besonders den vierten, den wir freundlicherweise bei Schuttenbach Automobile in Anzing Probe fahren durften – also eigentlich der Autor, denn sein Sohn kam „nur“ als Probebeifahrer infrage.
Der freundliche Verkäufer, den wir dafür fürchteten, dass er zu jedem einzelnen der 50 Jahre etwas zu sagen haben würde, war beschäftigt, das perfekt perlweiß polierte 911er Turbo Cabrio stand bei strahlendem Wetter offen vor dem Eingang bereit, die Formalitäten waren schnell erledigt. Einsteigen, einstellen – wohlfühlen. Die ganze Freude an einer wirklich weichen Volllederausstattung – Schande über die Autoindustrie dafür, dass es solche Worte geben muss – kommt erst auf, wenn sich zwischen Fahrer und Fahrzeug die geradezu erotische Beziehung einstellt, die sich nur mit konsequent ergonomischem Engineering erreichen lässt. Mit anderen Worten: Passt wie ein Hausschlappen. Wogegen sich die Schädeldecke des 189 Zentimeter großen Testers im vergleichsweise probegefahrenen Lamborghini Gallardo gleich mal in den Alcantarahimmel bohrte…
Klar, das Zündschloss ist links vom Lenkrad, schon 50 Jahre lang. Das 2009er Modell hat noch Tiptronic, nur 5 Gänge, keine Doppelkupplung. Die Sportauspuffanlage gibt ein heiseres, aggressives Brüllen von sich, eine gelungene Mischung aus Klangfreude und Altenfreundlichkeit: So ein Gallardo versetzt mit seinem Kriegsgeschrei doch viele, die einen Krieg erlebt haben, in helle Panik.
Schwarzes Leder, weiße Instrumentenblenden, viel Aluminium. Für mich bitte immer Vollausstattung – Luxus ist, dass man nicht weiß, wozu die einzelnen Features gut sind, aber auch nie etwas vermisst. Okay, die Tankanzeige dümpelt im roten Bereich, naja, bei den Benzinpreisen, also laufen wir als erstes Ziel langsam und hart wie ein Brett eine Tanke an, wo wir das Tier mit edelstem Super Plus auffüllen, halbvoll, denn wir haben zwei Stunden Zeit.
Wir fädeln uns bei Vollgas auf die Autobahn, wechseln auf die Überholspur und – das Söhnchen streckt den Daumen hoch – erreichen 305 Stundenkilometer auf dem Digitaltacho, bevor die Autobahn endet, und wir die Gegenrichtung nehmen. Das Einfädeln stellt hier wirklich ganz andere Probleme, als bei anderen Fahrzeugen: Man muss den Gasfuß ruhig halten, um nicht vor Übermut unter einem LKW zu enden. Die Michelin Pneus geben das Gefühl, dass man jeden Millimeter der Spur kontrollieren kann, je schneller, desto besser. Die leichtgängige Lenkung bringt die ersten Punkte zu der Gesamtwertung „perfektes Handling“ ein, das geringe Gewicht von 1600 kg sowie die mit ESP und PSM perfektionierte Allradtechnik den Rest. Ist richtig spaßig, so eine kreisrunde Autobahneinfahrt einmal komplett quer zu nehmen. Keine Spur mehr von dem Gefühl in meinem ersten Elfer, einem 1988er Cabrio, als mich das Heck überholte und das Auto die Dynamik eines Bumerangs entwickelte…
Auf der Landstraße zeigen sich schnell die Grenzen – des Fahrers. Trotz Chiptuning steht die Leistung immer erst eine Sekunde später an, als erwartet. Verantwortlich ist dafür das Turboloch, die Zeit, bis genügend Ladedruck bereitsteht, um den Vergaser voll zu pressen. Damit lernt man nach einiger Zeit umzugehen, wenn man Gasfuß und Schaltpaddeln richtig koordiniert. Momentan bin ich auf großzügiges Verzeihen angewiesen. Und da dieses Fahrzeug ebenso wie eine Harley Davidson eine Alterserscheinung ist, stehen ausreichende Toleranzen selbst für grobe Fehler zur Verfügung.
Mit einfachen Mitteln kann man schöne Effekte erzielen. Bleibt man zum Beispiel mit dem Gaspedal stur am Bodenblech, während man aus dem Stand anfährt, sorgt der Turboschub trotz ESP im zweiten Gang für einen schönen Powerslide – vielleicht bewirkt durch das nachträgliche Chiptuning auf 520 PS.
Überholen wird in diesem Geschoss zum reinen Vergnügen. Präzise Lenkbewegungen, ein stets ausreichender Vortrieb und die Griffigkeit bei jeder Fahrbahnbeschaffenheit geben ein Gefühl von Sicherheit. Rundum hervorragende Sicht sollte ein Cabrio ohnehin bieten. Die herausragende Eigenschaft würde ich „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ nennen: Es geht einfach alles und alles geht einfach mit diesem Auto.
Der Bordcomputer verrät einen Verbrauch von 12,3 Litern über die gesamte Probefahrt, bei der wir dem Teil nichts geschenkt haben. Der Tank bleibt bei der Abgabe gut gefüllt – deshalb müssen wir den 911er kaufen. Schließlich haben wir nichts zu verschenken.
Der Sechszylinder, hier schließt sich unsere Kreisfahrt, hat seine Aktualität zurück gewonnen. Alle Hersteller betreiben konsequentes Downsizing, verkleinern die Motoren, um Gewicht zu sparen, Umwelt- und Verbrauchsvorgaben besser zu erfüllen. Darin ist Porsche Weltmeister. Lang lebe der 911!