Bloomsday

Ein wichtiges Datum nähert sich: Am Sonntag, den 16. Juni jährt sich zum 110. Mal der Bloomsday. An diesem Tag im Jahr 1904, den James Joyce in „Ulysses“ auf vielen hundert Seiten beschreibt, begleitet Leopold Bloom einen Beerdigungszug durch Dublin. Und wie feiert man nun diesen ersten Feiertag, der einem Roman gewidmet ist? Die Antwort hat Joyce selbst gegeben. Am 16. Juni 1929 hatte er in der Nähe von Paris ein Hotel Leopold entdeckt und seine Familie, seine Verlegerin Sylvia Beach und einige befreundete Schriftsteller, darunter Samuel Beckett, dorthin zu einem „déjeuner Ulysses“ eingeladen. Auf dem Rückweg in die Hauptstadt wurde an jeder Kneipe angehalten …

An einem solchen Feiertag sollten wir die Iren nicht alleine lassen. Wer am Sonntag nicht mit mir um die Häuser ziehen kann, dem bietet der Carl Hanser Verlag eine zweite Chance: „After-Bloomsday“ heißt die Buchpräsentation zu James Joyces und Wolf
Erlbruchs Die Katzen von Kopenhagen mit Übersetzer Harry Rowohlt. Er
liest aus dem Buch und anderen Joyce-Texten am 17. Juni um 20.00 Uhr im
Literaturhaus München.

Die wilde Zeit

Wenn das Kino leer bleibt, weiß man, dass der Film wirklich gut ist. Im Eldorado in der Sonnenstraße war die „freie Platzwahl“ neulich jedenfalls wörtlich zu nehmen, als ich Assayas‘ „Die wilde Zeit“ angesehen habe. Die Entwicklung der Schüler einer Klasse Gymnasiasten am Pariser Stadtrand während der wilden Zeit zu Beginn der siebziger Jahre wird verfolgt – zwischen politischem Aktivismus in extremen und gemäßigt linken Gruppen, künstlerischen Versuchen in Malerei, Literatur, selbstredend auch Film und den Fluchtbewegungen in fernöstliche Gedanken, Religionen und Drogen. Nicht umsonst nennt Assayas Viscontis Ludwig II eines seiner filmischen Vorbilder. Es gelingt ihm ebenso meisterhaft, die Stimmung einer Ära zu zu vermitteln, eine Atmosphäre wieder zu beleben, die man ansonsten in den zeittypischen Werken aufspüren könnte. Die aber sind in ihrer individuellen Experimentierfreudigkeit nicht so verdichtet wie „Die wilde Zeit“. Assayas beschreibt in seinem philosophischen Rückblick, wie ganz beiläufig Lebensentscheidungen fallen – und, wie das Leben zurückschlägt. Das Zitat von Blaise Pascal „Zwischen uns und dem Himmel, der Hölle, dem Nichts, gibt es nichts als das Leben, die zerbrechlichste der Sache der Welt“ steht nicht nur dafür. Es steht als Motto über der liebevollen Art, wie die Kamera mit den authentisch wirkenden Laiendarstellern umgeht und das Drehbuch mit den damals so gegensätzlichen Weltanschauungen. Was bleibt außer Nostalgie? Die Erinnerung daran, wie selbstbewusst diese Generation andere Wege gegangen ist. Wie hoch Kreativität und Spontanität im Kurs standen. Wieviel Aufrichtigkeit möglich war, auf der Suche nach den individuellen Antworten.

Romantische deutsche Lande!

Wie liebe ich es doch, auf Schusters Rappen oder mehr noch mit trefflich gearbeiteten Siebenmeilenstiefeln durch deutsche Lande zu ziehen! Wie grün ziehen sich die Auen entlang sich windender Flüsse – wie sanft steigen rechts und links die Hügel hinan! Hier geht das Herz mir auf und jeder Unbekannte, auf den ich treffe, wird sogleich zu meinem Freund.

Acker und Mühen,
Gewerbe und Fleiss –
Die Künste erblühen
zum Lobespreis!

So deutsch ich bin,
so bin ich treu –
lob Heimatlande
ohne Reu.

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Utopische Liebesinsel

„Gestern wieder gevögelt. Keine besonderen Vorkommnisse.“ Wer in seiner dauerhaften Liebesbeziehung diesen in Jean-Paul Sartres „Ekel“ beschriebenen Tagebuch-Eintrag vermeiden will, sollte vielleicht zur „Insel der Linkshänder“ von Alexandre Jardin greifen. Der französische „Erfolgsautor“ schildert in einer Mischung aus Satire und Utopie, wie man länger Spaß an einer langen Zweierbeziehung hat. Keine Ahnung übrigens, warum Marina ausgerechnet mir dieses Stück Literatur verschrieben hat – denn ja: hier soll Medizin verabreicht werden. Nicht umsonst ist der Protagonist, der aus Britenklischees gewebte Lord Stork, von Beruf Literaturtherapeut. Um seine in spektakulärem Handstreich eroberte Herzensdame nach sieben Ehejahren nicht wieder zu verlieren, wandert er mit seiner Familie auf die Insel der Linkshänder St- Hélène im Südpazifik aus – die letzte Etappe per Heißluftballon. Schöne Reminiszenz an den „Luftschiffer Gianozzo“, wie auch Schilderungen schrullig-spießiger Gefühle öfter an den vor 250 Jahren geborenen Jean Paul erinnern. Die folgende Beschreibung des auf die Liebe ausgerichteten Lebens der Inselbewohner und ihrer gesellschaftlichen wie politischen Einrichtungen knüpft formal an die klassischen Utopien von Tomasso Campanella, Thomas Morus, Charles Fourier und Henri de Saint-Simon an. Inhaltlich stellt der Autor die Erfahrungen der sexuellen Revolution einschließlich gemäßigter weiblicher Emanzipation der viktorianischen Moral und ihren Beschränkungen gegenüber. Dabei kann er nur gewinnen – ebenso wie ich, der Leser. Gleich zu Anfang habe ich mich in den plumpen Fehlern des Lords wiedererkannt – alle weiteren mache ich dann bei nächster Gelegenheit! Gefallen hat mir, dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern tiefgründig und fair geschildert wurden. Schön auch, daß man das Thema ohne lebenshelferischen Anspruch und esoterischen Quark behandeln kann.

Anfang

Alkohol, so zu lesen im Focus dieser Woche, befördert die Kreativität. Stellvertretend für Legionen Kreativer wird Baudelaire genannt, der im Suff viele böse Blumen gezüchtet hat. Doch wieviel geschmeidiger, goldiger, flüssiger ergießt sich der erste Schluck in meine Kehle, als der erste Satz in diesen Blog – der, verdammt nochmal, doch irgendwie anfangen muss. Am Anfang war das Wort und das erste Wort war – Alkohol.